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Respekt Coaches in Nürtingen

Wagen, was man sich vorher nicht zugetraut hat

Immer gewollt – endlich gewagt: Bei den Projekttagen vom Schulwerk Mitte in Nürtingen waren Schülerinnen und Schüler in Holz- und Hip-Hop-Workshops kreativ, sprachen über Geschlechterrollen und Demokratie und wurden dabei in ihrer Selbstwirksamkeit bestärkt. Die 16 Workshops, die in Kooperation mit dem Respekt-Coaches-Programm des Jugendmigrationsdienst Nürtingen stattfanden, fügen sich passgenau ins pädagogische Konzept der Schule.

Junger Mann an der Werkbank.
Sägen, schleifen, schrauben: Bei den Projekttagen hatten die Schülerinnen und Schüler Zeit für kreatives, handwerkliches Arbeiten.

„Heb die Hände hoch zum Takt, denn das ist Hip zum Hooop!“ // Egal aus welchem Land oder welcher Stadt // Alles was du brauchst ist ein Stift, ein Blatt // Und Musik, die zeigt, dass du ‘ne Geschichte hast!“, rappen 17 Jungs und Mädchen vom Schulwerk Mitte in Nürtingen zum Abschluss ihrer Projekttage im Jugendhaus am Bahnhof. In knapp zwei Tagen haben die 16- bis 23-jährigen Schülerinnen und Schüler mit dem Tübinger Rapper KABU ihren Hip-Hop-Song geschrieben. Alle haben ein paar Zeilen über sich selbst gedichtet.

„Cool, was ich gelernt habe!“, sagt der 21-jährige Denis beim Abschlussgespräch und total überrascht: „Ist schon voll viel Arbeit. Aber ich hab mir mit der Zeit zugetraut, was ich mir vorher nicht zugetraut hätte.“ Liedverse schreiben und reimen – immer gewollt, endlich gewagt. Denis ist sichtlich stolz darauf.  Vielleicht versucht er, demnächst einen ganzen Rapsong selbst zu schreiben.


Von Hip-Hop bis Empowerment

Innerhalb des Bundesprogramms JMD Respekt Coaches hat der JMD Nürtingen mit seiner Kooperationsschule 16 Workshops an fünf verschiedenen Orten in der Stadt auf die Beine gestellt. Träger des JMD ist der Fachdienst Jugend Bildung Migration der BruderhausDiakonie. Von Theater-, Tanz- und Hip-Hop-Workshops über Druck-, Holz- und Metallwerkstätten bis hin zu verschiedenen Empowerment-Trainings und Workshops zu Geschlechterrollen, Social Media und Demokratie ist alles dabei.

Ein Organisationsmarathon für Amina Ramadan und Ivana Serka. Die Sozialpädagoginnen des Jugendmigrationsdienstes arbeiten seit zwei Jahren als Respekt Coaches mit den Schülerinnen und Schülern zusammen. Sie haben die Projekttage in Zusammenarbeit mit Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe gestemmt. Seit März 2015 unterstützen und begleiten sie verschiedene Klassen der beruflichen Schule und bieten zweimal pro Woche eine offene Sprechstunde an. Sie organisieren Workshops zu demokratischen Werten oder zur Medienkompetenz und zweimal pro Woche einen Mittagstisch im Jugendhaus. Dort treffen sich die Schülerinnen und Schüler nicht nur zum Essen, sondern haben auch Gelegenheit, sich auszutauschen, kennenzulernen, Tischkicker und Billard zu spielen. Gemäß dem Programm-Motto „Lass uns reden! Reden bringt Respekt“.

Das Programm Respekt Coaches, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, verfolgt einen primär präventiven Ansatz. Es soll 12- bis 27-jährige Schülerinnen und Schüler durch Gruppenangebote, Exkursionen und sozialpädagogische Begleitung ermutigen und ihr Selbstwertgefühl stärken. Sie sollen befähigt werden, über ihre Erfahrungen zu sprechen und Fragen zu diskutieren, die ihnen wichtig sind.

 

Zwei Personen an einem Rollup.

Die Respekt Coaches Ivana Serka und Amina Ramadan sind nicht nur Organisatorinnen der Workshops, sondern auch abseits der Projekttage für die Schülerinnen und Schüler da.


Ein Wagnis, das sich lohnt

Projekttage mit Workshops außerhalb der Schule seien „eine Premiere für uns“, sagt der stellvertretende Schulleiter von Schulwerk Mitte, Volker Döring. Auch wenn es ein Wagnis ist und mit vielen Einverständniserklärungen von Eltern verbunden – der Erfolg spricht für sich. Die Projekttage fügen sich passgenau ins pädagogische Konzept der individuellen und ganzheitlichen Schülerbetreuung ein. Die meisten der 230 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler, die hier ihren Hauptschulabschluss, die Mittlere Reife, die Fachhochschulreife oder das Abitur machen, sind engagiert und begeistert dabei.

 

Sich persönlich entwickeln ohne Druck oder Verpflichtung

Auch wenn es nicht bei allen mit dem Wunschprojekt geklappt hat, die Workshops holen die Schülerinnen und Schüler in ihrer jeweiligen Lebenssituation ab und sind frei von schulischem Druck. In der Siebdruckwerkstatt des Kooperationspartners Trägerverein Freies Kinderhaus e.V. auf dem Areal der Seegrasspinnerei föhnt die 18-jährige Laura den Schriftzug „Queen 01“ trocken, den sie, pink auf weiß, auf ein T-Shirt gedruckt hat. Wer die Queen denn sei? - „Das T-Shirt ist für mich“, lacht sie, mit einem „Spruch, der einem gut tut“, so das Motto des Workshops. Es ist ihr zweites Werk, nachdem sie zuerst einen Body für das Baby ihrer Lehrerin bedruckt hat.

„In den Workshops entwickeln die Jugendlichen Stärken, Kompetenzen und Selbstwert ohne Druck und Verpflichtung “, sagt JMD-Mitarbeiterin Amina Ramadan. Gerade deshalb empfindet sie ihre Arbeit im Programm Respekt Coaches als „sehr erfüllend, direkt an der Basis“. Dem kann Kollegin Ivana Serka nur zustimmen: „Unsere Idee ist es, das auf andere Schulen auszuweiten.“
 

„Das könnten wir die ganze Woche machen“

In der Jugendwerkstatt auf dem Areal der Seegrasspinnerei verteilt Schüler Sam Öl auf seinem frisch geschreinerten Gartenstuhl aus alten Fässern. Unter der Anleitung von Kunsttherapeutin Anneli Bialek hat er Bretter geschliffen, zurechtgesägt, zusammengeschraubt und Löcher gebohrt. Gleich nebenan in der Metallwerkstatt schweißt Cem, Schüler der Wirtschaftsschule, Quader aus Blech für eine Installation auf dem Schulhof zusammen. Das Schweißen sei eine tolle neue Erfahrung, sagt er. „Voll cool“, wieder was Neues gelernt zu haben im Leben. „Hilfreich, das könnten wir gern die ganze Woche machen“, lautet ein anderes Schüler-Feedback beim Abschluss der Projekttage im Jugendhaus. Schade, dass die Workshops vorbei sind. Aber die neu entdeckten Fähigkeiten beflügeln die Mädchen und Jungen. Künftig wollen sie weiter zusammen diskutieren, schweißen, nähen, tanzen, rappen.

 

Ein Beitrag von:
Servicebüro Jugendmigrationsdienste
Veröffentlicht: 08.04.2020

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